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 Die Kritik in der freien Presse  





Aus dem Kölner Stadt-Anzeiger vom 15. Juni 2007

Im Fahrzeug der Überraschungen
Uni-Büchermann nimmt sich die Freiheit des Selber-Denkens und hat ein Theaterstück verfasst

Seit über zehn Jahren verkauft Kristóf Szabó Bücher an der Universität. Die wenigsten wissen, dass er auch selber welche schreibt.

VON KERSTIN MEIER

Er gehört zum Uni-Alltag wie das Albertus-Magnus-Denkmal: Der Büchermann. Im Winter steht er mit dickem Mantel an seinem Stand, im Sommer mit Sombrero. Ein verkrachter Student? Ein Antiquar mit Frischluft-Faible? Irgendwann nimmt man ihn einfach hin – als verlässliche Größe, als intellektuelles Inventar. Die wenigsten wissen, dass „der Büchermann" nicht nur alte Bücher verkauft, sondern auch selber welche schreibt. Einen Gedichtband und zwei Theaterstücke hat Kristof Szabo bereits in Ungarn veröffentlicht, ein Theaterstück aus seiner Feder wird Ende Juni in deutscher Fassung im Kölner Arkadas-Theater gespielt.
Mit zwölf Jahren zog der gebürtige Ungar mit seinen Eltern nach Schwaben, zum Studium dann später nach Köln. Dramaturg oder Kulturmanager wollte der 39-Jährige damals werden und wählte „Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften“ als Hauptfach, dazu Psychologie und Pädagogik. Doch schnell wurde ihm klar, dass ihn Fragen faszinieren, für die im Arbeitsalltag nicht genug Raum bleibt.
Hinter seinem Bücherstand gerät Szabó ins Philosophieren über Macht, Gerechtigkeit und die Möglichkeiten der Medien. Solche grundlegenden Gedanken könne man sich nicht nach einer Acht-Stunden-Schicht machen, sagt er. Deswegen habe er sich 1996 nach seinem Abschluss gegen eine Festanstellung entschieden: „Mir war es sehr wichtig, dass ich nicht in diese Mühle gerate, ich wollte die grundlegenden Themen des Lebens selber durchdringen.“ Er habe seinen Beschluss nie bereut – nicht bei Nieselregen am Bücherstand, nicht beim Blick in sein leeres Portmonee. „Wenn ich sehe: das habe ich geschrieben, dafür habe ich gekämpft, dann weiß ich, es hat sich gelohnt.“
Manchmal lektoriert er für den Luchterhand Verlag, manchmal nimmt er Übersetzungsaufträge an, um sich über Wasser zu halten. Für die Stadt Budapest knüpft er kulturelle Kontakte nach Deutschland. Reich wird er damit nie werden, das weiß Kristóf Szabó, genauso wie er weiß, dass er nie auf den


„Büchermann“ Kristóf Szabó weiß, dass er mit seinen
Büchern nie auf Bestsellerlisten landen wird.
Ihm ist es wichtig, „die richtigen Menschen zu
erreichen“.
Bestseller-Listen erscheinen wird. „Mir ist es nicht wichtig, alle Menschen zu erreichen, mir ist es wichtig, die richtigen Menschen zu erreichen.“ Wer das ist? „Die, die gerne in ein Fahrzeug der Überraschung einsteigen und sich mitnehmen lassen“, erklärt Szabó, ganz der Poet. „Wenn jemand immer ins selbe Hotel fährt und beobachtet, wie der Schnurrbart des Kellners immer grauer wird  – das ist Verharren. Meine Texte wollen Menschen ermutigen, offener ins Leben zu treten.
In Ungarn ist sein Stück „Mucius Scaevola: Brand-Hand“ 2005 uraufgeführt worden, in Deutschland hat es am 22. Juni Premiere. Die deutsche Fassung im Arkadaş-Theater hat Kristóf Szabó noch einmal komplett bearbeitet. Herausgekommen ist ein Stück, das Schauspiel, Tanz, Gesang, Bühneninstallation, Musik und Lesung vereint. Seine Gedanken über Krieg, Macht und Medien hat Szabó in eine klassische Drachentöter-Geschichte verpackt. „Im Grunde geht es ja immer um Leidenschaft, Liebe und Tod“, sagt der Büchermann und blinzelt unter seinem Sombrero gegen die Mittagssonne.






 
Mit Kristóf Szabó sprach Ágota Harmati.
Das Interview wurde von der Redaktion aus dem Ungarischen übersetzt & erschien 1999 in der Stadtzeitung „1/4 Vor”



Die Sprache als Lunge

Kristóf Szabó

Kristóf Szabós jüngster Text "Atem" ist auf ungarisch entstanden – ein pulsierend rhythmischer Text voller irrealer, assoziativer Bilder, die zum Teil der ungarischen Märchenwelt entstammen. Der Kampf des Helden ist jedoch kein Kindertraum, sondern ein tief psychologisches Bewußtseinsspiel, frei von allen Tabus. Momentan arbeitet der gebürtige Budapester mit der surrealistischen Künstlergruppe Antlogonis zusammen. Unter demselben Namen veröffentlicht die Gruppe eine Zeitung, in der Kristóf Szabós Schriften zu lesen sind, erhältlich in der Buchhandlung Bittner.




1/4 Vor: Wieso hast du, im Ausland lebend, zu schreiben angefangen?
Kristóf Szabó (KSz): Ich begann auf englisch zu schreiben. Ich wählte bewußt eine Fremdsprache, um mich zu entfernen.
1/4 Vor: Warum nicht auf deutsch, war dir das zu nahe?
KSz: Damals konnte ich noch besser Englisch als Deutsch. Ich kam als zwölfjähriges Kind nach Deutschland, ich besuchte ein deutsch-ungarisches Gymnasium in Bayern. Nach dem Gymnasium begann ich, auf deutsch zu schreiben. Mein Gefühl war, daß ich an ein gewisses Niveau heranreichte. Aber da es eine erlernte Sprache war, konnte ich nicht assoziativ schreiben. Damit mein Unterbewußtsein aus seinem erdtiefen Stadium hervorbrechen kann, muß ich meine Muttersprache benutzen. Es gibt Dinge, wie den Klang und den Rhythmus der Wörter, die sehr schwer erlernbar sind. Und in meinem Unterbewußtsein zu schlendern, war mir unmöglich. Daher gestand ich mir ein, daß es so nicht weiterging, und ich begann auf ungarisch zu schreiben. Durch meine Muttersprache fand ich den Schlüssel zu einer Schachtel, in der diese Sachen bis dahin eingeschlossen waren. Die Ungarn empörten sich, als sie es lasen. Viele Dinge, die sich in der Weltliteratur abspielen, fehlen in der ungarischen Literatur. Ich versuchte noch einmal auf deutsch zu schreiben, es klappte aber nicht. Dann entschied ich mich endgültig für das Ungarische.
1/4 Vor: Wenn du nur auf ungarisch gelesen hättest, dann wäre diese Verserzählung - wenn man sie so nennen kann – wohl nicht entstanden?
KSz: Ich nenne sie "Atem", da die Wörter "Totem" und "Atom" drin stecken, die auf ungarisch keine Bedeutung haben, auf deutsch jedoch etwas bezeichnen. In Ungarn wurden viele literarische Werke sehr spät übersetzt, etliche Schriftsteller lernte ich auf deutsch kennen. Ich bin vorsichtig damit zu sagen, daß ich wegen ihres Einflusses so schreibe, wie ich schreibe. Aber wenn man eine bestimmte geistige Verwandtschaft entdeckt in der Weltliteratur, dann beschleunigt es die Findung der eigenen persönlichen Form.
1/4 Vor: In Deutschland leben und auf ungarisch schreiben – ist das ein Konflikt oder eine Freiheit für dich?
KSz: Ein Konflikt, deswegen habe ich so viel überlegt, auf welcher Sprache ich schreiben soll. Die Sprache des deutschen Alltagslebens ist nicht so bunt, nicht so schmutzig wie die ungarische, man übertreibt nicht so sehr. Ich muß mich aber gerade in solchen Milieus bewegen. Ich brauche eine Beziehung zur aktuellen Sprache. Deshalb muß ich regelmäßig nach Ungarn fahren, weil ich die Sprache als eine Lunge empfinde. Ich muß nach Hause, um Sauerstoff aufzunehmen.
1/4 Vor: Und die hier lebenden Ungarn?
KSz: Das ist etwas anderes. Das ist der Unterschied zwischen normalem Atmen und einer Sauerstoffflasche.
1/4 Vor: Heißt für dich das Benutzen von Volksmotiven so etwas wie "zurück
zu den Wurzeln"?
KSz: Die Ungarn haben eine sehr reiche und immer noch lebendige Märchenwelt und Tradition. Ich habe in meiner Kindheit sehr viele Märchen gehört, und bis heute interessiere ich mich für Märchen und Mythen aus der ganzen Welt. Ich liebe die irrealen Bilder der Märchen, ihre seelische Relevanz ist riesig.
1/4 Vor: Wird "Atem" übersetzt?
KSz: Ja, ich selber übersetze es. Es ist sehr schwer zu übersetzen wegen seines Trommelklang-Rhythmus', ansonsten verliert es viel von seinem rituellen Charakter. Eine andere Schrift von mir wird gerade ins Französische übersetzt. Ich weiß, daß die Übersetzerin sehr gut ist. Trotzdem habe ich Angst, was ich zurückbekomme. Es ist, als überließe man das eigene Kind anderen.






Auszug aus einem Artikel der FAZ vom 3. Aug. 2004

Europa, gib mir meine Akzente wieder!

Death Metal oder politischer Totenkult? Unterhaltungen ungarischer Auswanderer in Köln / Von Andreas Rosenfelder

Auf dem Küchentisch liegt, gleich neben dem Diktiergerät, eine unschuldige Broschüre. Freundlich, aber mit leicht vorwurfsvollem Unterton fragt sie "Did You Know?" und verspricht "interessante Fakten" über "berühmte ungarische Wissenschaftler und Erfinder". Die kleine Runde in der Kölner Wohnküche blättert immer wieder in dem unerschöpflichen Heftchen, pflückt daß-Satz um daß-Satz heraus - und allmählich weicht das amüsierte Grundgefühl einer schwer widerlegbaren Tragik. Kaum eine Technik oder Kunst, hinter der kein ungarischer Urheber stünde. Ungarische Ingenieure meldeten 1893, sechs Monate vor dem deutschen Erfinder Maybach, ein Patent auf einen Vergaser an - und blieben von der Automobilindustrie unbeachtet. Ein ungarischer Physiklehrer entdeckte 1896, sechs Monate vor dem italienischen Elektrotechniker Marconi, die kabellose Telegraphie - und setzte die Welt zu spät in Kenntnis. Bei so viel Ignoranz des Weltgeists spenden drei nach ungarischen Künstlern benannte Mondkrater nur schwachen Trost.
Die Ungarn in dieser Runde - der als Kind mit seiner Familie nach Deutschland ausgewanderte Schriftsteller und Buchhändler Kristóf Szabó, Jahrgang 1968, seine ebenfalls in Köln lebende zwei Jahre jüngere Schwester, die Rechtsanwältin

und Fachjournalistin Cecilia Szabó, und die als Stipendiatin an die Universität zu Köln gekommene, gleichfalls 1970 geborene Literatur-wissenschaftlerin Tünde Varga - haben Verständnis für das anrührende Bändchen. Denn die Einkassierung ihres Ideenhimmels gehört zu den Grunderlebnissen der Ungarn. John von Neumann, Urvater des Computers, wuchs als János Neumann in Budapest auf - wanderte aber wie Edward Teller, der als Ede Teller in Budapest geborene Erfinder der Wasserstoffbombe, als amerikanischer Forscher in die Lexika ein. "Sogar Bartók sollte Amerikaner werden", erzählt Kristóf Szabó. Und selbst in der Begeisterung der Deutschen für ungarische Literatur liegt eine Quelle für neue Mißverständnisse: "Seit seinem Nobelpreis redet jeder von Imre Kertész, aber keiner kann seinen Namen richtig schreiben!"
Ja, die Ungarn und ihre Akzente. Der Dichter, der in Ungarn unter dem Alias Babó Titti Kristóf einen Lyrikband und ein Theaterstück veröffentlicht hat, mußte die Strichelchen auf seinen langen Vokalen bei der Einbürgerung abgeben. Daß Akzente im Ungarischen nicht allein den Klang, sondern auch die Wortbedeutung verändern, scherte die Paßbehörden nicht. "Die Spitzhacke saust nieder", zitiert der Dichter den nach dem Zweiten Weltkrieg nach Amerika ausgewanderten

Schriftsteller Sándor Márai, im Exil zur Minenarbeit gezwungen, "und von deinem Namen fällt der Akzent." Vielleicht naht nun endlich Genugtuung' "Ich erwarte von der EU" - ein breites Grinsen - "daß mir die Behörden meinen Akzent zurückgeben!"
Man könnte dieses Bild der Weltgeschichte als Tummelplatz um ihren Ruhm, ihren Namen und ihre Akzente gebrachter Ungarn jener narzißtischen Kränkung zuschlagen, die zum Klischee der osteuropäischen Kollektivpsyche gehört. Doch in dieser lustigen Runde sitzen keine Revanchisten -und zur Symptomatik der nationalen Phantomschmerzen haben alle Anwesenden ein eher ironisches Verhältnis. So berichtet die Anglistin Tünde Varga von bizarren Theorien über sumerische Ursprünge der Magyaren und ungarisches Blut in den Adern des Heilands. Die Geschwister Szabó, die nach der Auswanderung ihrer Familie das ungarische Internat im oberpfälzischen Kastl besuchten, erinnern sich an eine Schulinszenierung der folkloristischen Rockoper "István, a király". Kristóf Szabó sang in diesem ungarischen "Hair" über König Stephan den heidnischen Rebellen Koppany, der sich tapfer der Christianisierung widersetzt - und nutzte die Freistunden auf der Klosterburg, um mit seiner Death-Metal-Band zu proben...






Aus dem Kölner Stadt-Anzeiger vom 11. Febr. 2004

Bücherstand in Gefahr

Es fing vor 14 Jahren mit einer Bananenkiste voller Bücher an – heute 'gehört Tapeziertisch-Antiquar Kristof Szabó für viele Studenten zur Uni einfach dazu. Seit 1990 verkauft der 35-Jährige vor dem Philosophikum gebrauchte Bücher, die er aus Nachlässen zusammenkauft. Dieses Angebot wird es bald vielleicht nicht mehr geben - das fürchten zumindest der gebürtige Ungar und mit ihm etliche Studierende und Dozenten, die Unterschriften gesammelt und Protestbriefe verfasst haben. Der Hintergrund: Szabós Vertrag, der zum 1. April ausläuft, wurde bisher nicht verlängert. Glaubt man der Universität, ist die Unruhe verfrüht. "Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass der Stand vor dem Philosophikum stehen bleiben kann", sagt Marcel Potthast, der Leiter des Gebäudemanagements. Zurzeit werde überlegt, "ob diese kommerzielle Einrichtung noch ins Konzept passt". Der Albertus-Magnus Platz solle "stärker erschlossen und aufgepeppt" werden, und da könnte der Stand im Wege sein. (mad)






Aus dem Kölner Stadt-Anzeiger vom 5. Dez. 2001

Eine Ware, die ein Leben verändern kann
Taibo Bati verkauft Studenten gebrauchte Bücher auf dem Albertus-Magnus-Platz

TEXT UND BILD: SEBASTIAN HEINZEL

Taibo Bati, Foto: Sebastian Heinzel

"In Ungarn brät man Pflaumenkuchenteig in der Pfanne und wendet ihn so lange wie einen Pfannkuchen, bis er gold-braun ist. So schreibe ich auch meine Texte", bebildert Taibo Bati seine Schreibtechnik. Der gebürtige Budapester wendet und wirft seine Werke solange um, bis je eine deutsche und eine ungarische Fassung stehen. Doch die meisten werden wohl noch nie etwas von ihm gelesen haben, denn veröffentlicht hat der 33-Jährige selten. Trotzdem hat vielleicht der eine oder andere Studierende schon mal ein Buch von ihm gekauft. Tag für Tag steht Bati nämlich auf dem Campus der Universität mit einem Tapeziertisch voller gebrauchter Literatur.
    Fachspezifische Standardwerke liegen neben prosaischen Raritäten - Bücher, die Bati aus Nachlässen zusammenkauft. So hat sich der Magister der Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften sein Studium finanziert. Angefangen hatte es mit einer Bananenkiste voller eigener Bücher, mit der er sich 1990 das erste Mal vor die Uni stellte. Als er am Ende des Tages einen Hunderter mit nach Hause nahm, glaubte er eine universitäre Marktlücke entdeckt zu haben.
    Mittlerweile hat der mobile Buchhändler eine Verkaufsgenehmigung und ein angemeldetes Reisegewerbe.

    Doch die Konsumhaltung seiner Kunden hat sich in den rund 10 Jahren geändert, sagt Bati: "Früher kamen die Leute und suchten ein Buch, das ihr Leben verändert, heute suchen sie das Buch, das ihnen gerade ihr Professor aufgeschrieben hat." Diesen Mentalitätswandel erklärt er sich durch gesellschaftliche Tendenzen: "Bücher befördern die Suche nach dem Selbst, denn sie stellen Fragen und bewirken eine innere Veränderung. Aber Seele ist heute ein Tabu." Die Gesellschaft wolle keine Menschen mit einem starken Selbst, "denn diese konsumieren nicht so viel, weil sie wissen, was sie brauchen und was nicht", meint Bati. Tabuisierte Aspekte des Lebens sind die Themen, mit denen sich Taibo Bati, der seinen bürgerlichen Namen nicht preisgeben möchte, künstlerisch auseinandersetzt. Visionäre Landschaften entstehen in seinen Gedichten, Essays, Hör- und Theaterspielen, die bis jetzt nur im Internet zugänglich sind.
    Dennoch hofft der Dramaturg für sein neuestes Theaterstück "Space Shuttle"eine "progressive" Bühne zu finden. Ob jeder einen Zugang zu seinen Stücken findet, ist fraglich. Bati bewegt sich auf abstraktem Niveau. In seiner surrealistischen Bildsprache behandelt er auch aktuelle Themen. Sein Text "Jacke wie Wunde - Kabul und die USA" thematisiert zum Beispiel die Afghanistan-Problematik.
    Leichter zugänglich sind seine Gedichte. "Du hängst / Deine Einsamkeit / Wie einen leeren Bügel / In mein Herz", dichtet Bati, der glaubt, daß für jeden ein Buch im Regal steht, das sein Leben verändert. Vielleicht liegt es ja auch auf Taibo Batis Tapeziertisch.


Taibo Bati war das Pseudonym von Kristóf Szabó





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Rezension zum Atem-Poem: Der übrreifte Garten Bauch Liebster Atem von Christian Bauer, versa 5, frühjahr 05 (Köln)

Leugnen tut dem Geschehen keinen Abbruch. Bleiben Flucht und Zerstörung, um mit dem Unheimlichen umzugehen. Die Unwissenden müssen unausgesetzt leiden. Einer erforscht es und verteidigt seine individuelle Mythologie. Nicht nur dass Kristóf Szabó gemeinsam mit seiner Frau Jeannine Bruno die Collagen auf der Umschlaginnenseite dieser versa verfertigte, er unterstützt die Geburt verdächtiger Geräusche aus dem überreiften Garten Bauch Liebster-Poem. Nehme alles wörtlich, ein "Atem" heißt es im Untertitel, eine Art Be-Gattungsbezeichnung des Poems wie des Lebendigen überhaupt. Aus der kontrahierenden und astringenten Bewegung rührt die lebendige Zauberkraft der Worte, die ausgehaucht werden. Hier verbunden sich die essentiellen Funktionen menschlicher Existenz, Atmung und Sprachverfertigung, zu einer rhythmischen Regel. In der Luft liegen der alte Dante, der ewige Homer, der tote Ezra Pound. Der eine macht den Wald, der andere das Meer nach. Doch was behandelt Szabó? Wische mit der Hand über den überreiften Garten, da liegen viele Tote drauf. Schmeißt sie nicht auf die Erde, sonst ginge ein Keim auf. Aus dem Abgrund springt dich widerrufend an:
A.....
A.....
S.....     (Precanto, 9.Canto d.)
Das Symptom wird als Therapie verordnet. Kristóf zerrt den überreiften Kadaver aus der zuschnappenden Mundfalle. Aus dem verwachsenen Organismus des Alltags-Ichs zerrt er das noch Verwertbare, Zähne, Haut, Blut, authentischer. Was wollt ihr denn, ihr habt's doch weggeworfen! Die zerhackten Worte wurzeln wie Mangroven in der Luft. Aus der Dunkelheit und Verworrenheit des Nests in der Bauchhöhle ringeln zehn beschnittene Teile, von denen ein jedes sich selbst bewegt. Der Hebammer im löchrigen Kittel tupft und tippt es ab: "Also ist im Wesen, das sich Mann nennt, Weib vorhanden, im Weib Mann, und an der Idee des Mannes, ein Kind zu bekommen, ist das einzig Seltsame, daß sie hartnackig geleugnet wird." (Georg Groddeck: Das Buch vom Es. Psychoanalytische Biiefe an eine Freundin. S.21) Doch statt die Regenwürmer als Köder zu benutzen, frisst er sie selber. Schämen Sie sich nicht?, werden Sie sagen. Nein ich schäme mich nicht, Gnädigste, so wenig schäme ich mich für den, der in Köln den Weg zu den Geisteswissenschaften nimmt, nicht ohne an dem Buddha-Pester Bebuquinisten Kristóf Szabó vorbei zu kommen. Ich gebe die Frage nach einer individuellen Mythologie zurück. Singe die Gesänge: Kruzifix, Dragan hängt nicht an seiner Mutter "Dragan tötet seine Mutter" (l.C.a.). Die Eltern werden nicht geschont, Geschichte wird vernichtet. Ist sie die Liebste, "Die verbrannte Liebste / Verkohlte Fibern" (l.C.g.)? Gegen Ende, nachdem sie kamen, weint Dragan an Replikaten: "-Poly-mutter! / Dragan / Umarmt / das Gipsgesicht / seiner geliebten Mutter / Die Gewissheit: Nie!!// Nie!// Nie!//" (9.C.a.) Das wird uns als Erkenntnis verkauft, ein gepanzerter Hummer; je nach Temperatur des Wassers ändert er sein Aussehen. Die Im-Wasser-Zeiten werden wiederholt, den Wechsel vom Nährenden zum Vergiftenden: "Den


Mund / Wollte er / Auswaschen. / Das kleine Mädchen / Läuft davon." (l.C.i) Später werden Öle beigegeben, die reinigen die tiefe Oberfläche. Gottlob ist der Leib so eingerichtet, dass die Reibung des Waschens Lust bereitet (l.C.i.). "Dragans Stock / Wirft keinen Schatten" (3.C.a.). Darüber hinaus fehlen dem Text und zählen dennoch mit: Textilien, Raumfahrt, O Mond, mein Pin-up, du hängst in Abstufungen, Kaskadierungen, nährst dich aus dem Blutbad. Ich weiß nicht, wovon sich die Ungarn nähren, aber die Deutschen haben Gerron seine Dreigroschen-Hits singen und ihn in die Gaskammer marschieren lassen. Das sind die Trennschärfen. Da pumpen die alten vaterländischen Gesänge. Baden in Lethes Strom. 4. und 5. Canto erinnern an die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph [!] Rilke, an das Weitergezogensein einer Soldatenliebe. Im unheimlichen Begriffsbordell wird "Lingam" (4.C.F) Lingua gesprochen. Das Resultat ist die Verholzung, die Papierifizierung, die qualitativ mindere Versteinerung: "Dragan / läßt das Mädchen / In dem Baumstumpf-Schwanz / Pfählen." (4.C.d) Warum wird der Phallus nicht stärker verdrängt als das Loch, die signifikantere Geschichte der Verschlingungen: "Nachts / Der Geselle / stiehlt das Mädchen / Ihren Magen / räumt er leer / Mango Melonen Nüsse" (4.C.e.). Wiederholt grölt Dragan vor Lachen (2.C.a., 4.C.L). Kein Göttliches. Während der Behandlung entweicht nicht der süße Duft der Heiligkeit. Es rußt, ölt, blutet und stinkt entsetzlich. So nehmen die Götter den Leichnam nicht an. Wir dagegen nehmen getrost die initiierten Dysfunktionen alsKristóf Szabó vorbei zu kommen. Ich gebe die Frage nach einer individuellen Mythologie zurück. Singe die Gesänge: Kruzifix, Dragan hängt nicht an seiner Mutter "Dragan tötet seine Mutter" (l.C.a.). Die Eltern werden nicht geschont, Geschichte wird vernichtet. Ist sie die Liebste, "Die verbrannte Liebste / Verkohlte Fibern" (l.C.g.)? Gegen Ende, nachdem sie kamen, weint Dragan an Replikaten: "-Poly-mutter! / Dragan / Umarmt / das Gipsgesicht / seiner geliebten Mutter / Die Gewissheit: Nie!!// Nie!// Nie!//" (9.C.a.) Das wird uns als Erkenntnis verkauft, ein gepanzerter Hummer; je nach Temperatur des Wassers ändert er sein Aussehen. Die Im-Wasser-Zeiten werden wiederholt, den Wechsel vom Nährenden zum Vergiftenden: "Den Mund / Wollte er / Auswaschen. / Das kleine Mädchen / Läuft davon." (l.C.i) Später werden Öle beigegeben, die reinigen die tiefe Oberfläche. Gottlob ist der Leib so eingerichtet, dass die Reibung des Waschens Lust bereitet (l.C.i.). "Dragans Stock / Wirft keinen Schatten" (3.C.a.). Darüber hinaus fehlen dem Text und zählen dennoch mit: Textilien, Raumfahrt, O Mond, mein Pin-up, du hängst in Abstufungen, Kaskadierungen, nährst dich aus dem Blutbad.
Ich weiß nicht, wovon sich die Ungarn nähren, aber die Deutschen haben Gerron seine Dreigroschen-Hits singen und ihn in die Gaskammer marschieren lassen. Das sind die Trennschärfen. Da pumpen die alten vaterländischen Gesänge. Baden in Lethes Strom. 4. und 5. Canto erinnern an die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph [!] Rilke, an das Weitergezogensein einer Soldatenliebe. Im unheimlichen Begriffsbordell wird "Lingam" (4.C.F) Lingua gesprochen.

Das Resultat ist die Verholzung, die Papierifizierung, die qualitativ mindere Versteinerung: "Dragan / läßt das Mädchen / In dem Baumstumpf-Schwanz / Pfählen." (4.C.d) Warum wird der Phallus nicht stärker verdrängt als das Loch, die signifikantere Geschichte der Verschlingungen: "Nachts / Der Geselle / stiehlt das Mädchen / Ihren Magen / räumt er leer / Mango Melonen Nüsse" (4.C.e.). Wiederholt grölt Dragan vor Lachen (2.C.a., 4.C.L). Kein Göttliches. Während der Behandlung entweicht nicht der süße Duft der Heiligkeit. Es rußt, ölt, blutet und stinkt entsetzlich. So nehmen die Götter den Leichnam nicht an. Wir dagegen nehmen getrost die initiierten Dysfunktionen als gewollt hin. Dann: "Die Rose / Verdörrt." (4.C.b.) Vielleicht findet sie einmal jemand. Später wird ihm der Stammvater der Menschheit wieder Rosen anbieten. Dragan schlägt ihn und kauft ihm die Rosen ab (5.C.d.). Wie wir, die Mitwisser. Das Risiko der ersten rOkOkO-Erkenntnis: "Der Körper. Was, Gott!?" (5.C.g) Gott senkt sich in Fragment-Tierungen. Aus Notwendigkeit wird alles ins Unverhältnismäßige verknüpft. Auch Säulen umschiffen gehört mit zum Ablauf. Identität, Raum und Zeit werden umschifft. Du darfst nicht bemerken, dass sich die Ursachen in die verschmorten Verästelungen zurückziehen. Das Mikroskop zieht sich in das Auge zurück. Es hat sein Objekt abgespalten, wird zum Teleskop, will das Abjekt betrachten. Erst wenn das Objekt bereits durchgezogen, gerät das Abjekt ins Visier. Am Wegrand, zwischen den weißen Flächen, wirst, Geläufiger Du, des Gängigen beraubt. Die besten Gedanken landen in neun Zimmern, bei der diaphanen, kopflosen Polyglas-Frau. Jetzt wissen wir, wo wir die ganze Zeit zu Hause waren: "Das Tor / Im großen Loch." (ö.C.c.) Wir sind auf der Ebene der Gemeinsamkeiten angelangt. Alle Größe, KING SIZE, war nötig, um da zu sein: "Du erfaßt / Meine Hand / Wir gehen / Hinein." (7.C.) Du sollst den kabbalistischen Schwindel nicht merken, dass neun Zimmer angekündigt werden, jedoch nur drei Zimmer folgen. Es sei denn, man läse den 8. und 9. Canto dreimal. Derweil an den Rändern die Indexangaben ihr kicherndes Spiel mit der Wissenschaft treiben. Gäbe es nicht die Sprünge und die Lücken im Betrieb, der Arzt würde vermutlich wahnsinnig werden. Nicht im Tun liegt die Sache, sondern im Lassen: "Er zündet / Das Gebäude nicht an." (2.C.a.) "Dragan weint nicht." (9.C.C.) Dragan erhält nicht die Betriebsprämie, er kommt nur bis zum zweiten Zimmer. Vom dritten Zimmer aus schauen wir ihm zu, wie die Windbeutel-Imago reißt. Die Kata-Strophe bedeutet keine Wendung mehr. Kristóf führt uns über den Fluß des Ungeborenseins, durch den diffusen Zwang: "Ich habe mit meiner Hand nicht unnütze Arbeit verrichtet"
heisst es im Feldbuch des R.-K.- Kaplans
[Vorbereitung zur Beichte]
Lärmend wie Lerchen über Todeszellen".
(Pisaner Cantos). Am Ende hat der Wind gedreht und er atmet zwischen den Lücken seiner Maß-Stäbe auf.




Jeannine Bruno
Jeannine Bruno/Kristóf Szabó


Rezension zum Atem-Poem: A szegezett árnyu madár, Balassi, Budapest 2003 aus: Magyar Narancs, 27.11.2003 (Übersetzung: Kristóf Szabó)

"Ein Buch mit eigener Stimme, >A szegezett árnyu madár< von Babó Titti Kristóf ist eine Held-Hans-Paraphrase, eine Art postmoderne Erzähl-Lyrik-Parodie. Selbstverständlich auch mehr als das: denn die Geschichte von Hans wird ganz neu gestaltet, und sie erscheint mit anderen Motiven und grotesken Elementen vermischt in einem modernen-postmodernen Umfeld. Eigentlich lesen wir ein Anti-Märchen mit einem Anti-Helden des postmodernen Zeitalters.
Das Umstülpen des Märchens, der Märchenmotive, ihre Persiflierung, ihre stellenweise in Horror wechselnde Umdeutung ist selbstverständlich ein bewusster Vorgang, der seinen Grund in jener satirisch-ironischen Sicht des Verfassers hat, mit welcher der junge Autor auf das Schicksal der Märchen und der Märchenhelden von heute schaut. Die verschiedenen Aufgaben und Arbeiten in diesem "verkehrten Märchen" veredeln nicht oder haben keine Erhellung zu ihrem Ergebnis, im Gegenteil: Sie verwirren, sie bereiten Qualen und sie machen erschöpft, oder sie erweisen sich etwa als Lügen, sogar als eine ausweglose Sackgasse, aus der irgend zu entkommen Held Hans richtig froh sein kann! Die Tage und die Arbeiten folgen trotzdem wie Proben aufeinander, nur will die lehrreiche Parabel oder die Heilsgeschichte (etwa Heldenepos) nicht zustande kommen. Auch deswegen kommt - wohl man es auch als ironische Grimasse auffassen kann -, das Wiedersehen mit Ilona Feeschön, das "Aufsteigen-in-die-freien-Lüfte", doch überraschend, was aber bei aller Ironie auch ein Verweis auf das Auflösung bietende, Hoffnung spendende Ende des klassischen Musters ist. Als fänden Held Hans und Ilona Feeschön die Idylle dort auf der Spitze des bis zum Himmel reichenden Weltenbaumes ineinander verliebt vielleicht doch. Das eigensinnige, ironisch-satirische Prosagedicht ist eine anspruchsvolle, obendrein sehr unterhaltsame Lektüre."

-marczi-



Klappentext des Bandes: <Karfüst, zwei intermediale Bühnenskripts>, fisz, Budapest 2004 (Übersetzung: Kristóf Szabó)>

über: MUCIUS SCAEVOLA: Karfüst, latinból fordította Babó Titti Kristóf (dt. MUCIUS SCAEVOLA):

"In den hier dem Publikum vorgestellten Theatertexten von Babó Titti Kristóf gibt es nur Spuren, zwischen Kultur-Trümmer führen diese den Leser (oft in die Irre). Einen Leser, der hinsichtlich dieser intermedial genannten Werke in die Position des Zuschauers zu begeben sich anschicken müsste, dem aber statt einer bei Mitwirkung diverser Medien stattfindenden Bühneninszenierung die Erlebniswelt der Bilder des Textes die Möglichkeit einer Betrachtung bietet. Durch die verschiedenen (räumlichen, zeitlichen) Dimensionen der Sprache, ergibt sich irgend eine auf eine Katastrophe folgende Fragmentiertheit, wo die Zitate keine Zitate, sondern lediglich zerstreute Bruchstücke sind, wo die Bühnenfiguren keine Masken tragen, weil ihre Selbst-Identität nur eine nie da gewesene Reminiszenz ist, und wo die Äußerungen dieser Figuren und der Regieanweisungen in einer so sehr zertrümmerten Sprache verlautbart werden, dass der Leser-Zuschauer sie nicht als Mitteilung, sondern als gegenständlich gewordene Spuren zu begreifen imstande ist. Der in Deutschland lebende Autor handhabt sie nämlich ungewöhnlich frei: die ungarische Sprache, die Rechtschreibung, bzw. die Gedächtnisstücke der Tradition. Gleichzeitig von heute, aus der Vergangenheit, vulgär und erfunden ist jene Sprechweise, welche die verschiedenen Elemente der antiken Kultur, die biblischen und liturgischen Erinnerungsspuren, Lehrtraditionen der Philosophie und Überlieferungen der Schulen der bildenden Kunst für einen kurzen Augenblick aufscheinen lässt, um den an eine Erwartbarkeit gewöhnten Blick des Lesers auch sofort aus der sicher scheinenden Blickrichtung zu kippen. Als seien auch die Sprache selbst, wie auch die Schichtungen der Bildung: Reste, nur ein Anschnitt des intermedialen Raums. In der Gestalt des Prinzen können wir Hamlet erkennen, die Erinnerungsspuren lyrischer Sprachgestaltung des Csongor és Tünde, die ironischen Weiten des Märchenerzählens, die Bühnenpräsenz von kommerziellen Produkten oder die Wirkungselemente der (Neo)Avantgarde lassen die Risse bei der Vermittlung der Kultur sichtbar werden, als seien sie auf der Oberfläche des Computerbildschirms aufscheinende Schichten. Doch mit ihrem Sich-Einfinden kündigen sie nicht nur ihren Anspruch auf die anhaltende Umwertung oder die Augenblicklichkeit an - bei permanenter Widerholung ironischer Obertöne der Vergänglichkeit -, sondern, - ihrer Ideale beraubt zwar, doch - sie folgen ihr beim Prozess ihres Verfalls. Vielleicht deshalb, damit sich während des Verfallsprozesses zeigen kann, was verfällt."

Bednanics Gábor
(Verlagsleiter)




Das UnGLÜCK der Götter

Bühne: Uraufführung von Kristóf Szabós Glück im Rahmen des Sommerblut-Festivals im Arkadas Theater am 21.5.2009.
Ausführliche Besprechung bei campus-web.de



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